Die
"Flotte Kleine" aus Chicago
Die
"Amerika Woche" ist eine deutsch-amerikanische
Zeitung mit
eigenem Charme
Pessimistisch,
lustlos und fatalistisch. Um die Gemütslage der meisten Verleger
deutsch-amerikanischer Zeitungen ist es nicht sehr gut bestellt. Die fetten
Jahre liegen lange zurück, seitdem ließen zu viele Leser die wöchentlichen,
in ihrer Muttersprache gedruckten Publikationen im Stich - und mit ihnen gingen
die kapitalkräftigen Anzeigenkunden. Als Begründung muss der fehlende
Nachwuchs herhalten oder jene älteren Einwanderer, die ihre Kinder nicht dazu
anhielten, sich für das Deutsche zu interessieren.

Gern wird unter
den Teppich gekehrt, dass es ebenso hausgemachte Probleme gibt, die die Zahl der
Zeitungen auf jetzt acht schrumpfen ließen. Zu lange wurde versäumt in die
Technik zu investieren, dem veränderten Leseverhalten Rechnung zu tragen oder
einen unverwechselbaren Charakter zu vermitteln.
Die 29 Jahre
junge "Amerika Woche" erhielt vor sieben Jahren durch einen Wechsel an
der Verlagsspitze die Chance zu einem Neuanfang. Seitdem wurde die "Flotte
Kleine", wie das Blatt nach einer entsprechenden Erwähnung in "Die
Zeit" auch genannt wird, inhaltlich und äußerlich derart verändert, dass
sie ein signifikantes Gesicht erhielt.
Im Gegensatz zu
anderen deutsch-amerikanischen Publikationen kommen eine ausgeprägte
Vereinsberichterstattung nicht vor, wegen der landesweiten Verbreitung in allen
Bundesstaaten verbietet sich eine solche geradezu. Während die Mitbewerber
ausschließlich auf die Deutsche Presse-Agentur (dpa) zurückgreifen, zeigt die
überparteiliche "Amerika Woche" darüber hinaus durch eigene
politische Kommentare Flagge, bietet exklusive Kolumnen wie "Heißgemachti
Fleischworscht unn grie Soos" aus Darmstadt, "weissblaue G'schichten
aus dem Chiemgau" sowie andere aus San Antonio, Boston oder Kiel. Der
redaktionelle Teil ist ausschließlich in deutscher Sprache und behandelt
deutsche und deutschamerikanische Themen.
Die wöchentliche
Leserbriefseite fördert darüber hinaus die Leser-Blatt-Bindung wie die
Briefkastentante, Eigenproduzierte Reiseseiten, farbige Sonderbeilagen wie die
sechsmal im Jahr erscheinende "Tafelrunde - Essen & Trinken in
Deutschland" heben die "Flotte Kleine" nicht nur von den
Mitbewerbern ab, sondern erhöhen auch bei den Anzeigenkunden das Ansehen. Das
gilt genauso für deutsche Touristikunternehmen, deren Anzeigenaufträge über
das Deutschland-Büro der AW in Sindelfingen erfolgreich koordiniert werden.
Konsequenter
Blockumbruch, helles, festes Papier und die hohe Druckqualität ergänzen das
inhaltliche Konzept genauso wie der moderne Internet-Auftritt mit seinen wöchentlich wechselnden Inhalten. Dazu kommt das Angebot des Buchimports
"Lesemaus", der unter der Aegide der Frau des Verlegers - einer
gelernten Buchhändlerin - für Qualität bürgt.
Größter Feind
bleibt die amerikanische Post, die die Zustellung stets zu einem Vabanquespiel
werden lässt und schon manchen Leser endgültig vergraulte. Die
deutsch-amerikanische Presse hat aber auch in Zukunft eine Chance, wenn sie sich
nicht ausschließlich an Nachrichtenzusammenfassungen und die Vereine klammert.
Lustlosigkeit und Pessimismus sind dabei nicht besonders hilfreich, sondern färben sich vielmehr auf die Leserschaft ab.
Mario
Schiefelbein
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